Hilft ein EU-Führerschein, die MPU umzugehen?

Diese Fragestellung bleibt umstritten, weil sie bestimmte Bedingungen voraussetzt. Eine der Bedingungen lautet, dass ein im EU-Ausland erworbener Führerschein theoretisch nur dann EU-weit gültig ist, wenn sich der Inhaber in jenem Land sechs Monate (genau: 185 Kalendertage) aufgehalten hat. Das ließe sich so darstellen, meinen viele MPU-Betroffene, verkennen aber moderne Möglichkeiten der transnationalen Vernetzung. Vor allem schaffen sie nur vorübergehende und wacklige Lösungen.

Um das richtig zu verstehen, müssen wir etwas tiefer in die Materie eindringen. Das Fazit soll vorweg genannt werden: Es ist wesentlich besser, auf ein Bestehen der MPU zu setzen als auf den unsicheren EU-Führerschein.

Definitionen zur Thematik

Um die Thematik angemessen zu würdigen, nennen wir am Anfang einige wichtige Definitionen.

  • Hauptwohnsitz: der Ort, an welchem Personen a) polizeilich gemeldet sind und sich b) wegen persönlicher und/oder beruflicher Bindungen “überwiegend” aufhalten, mindestens aber 185 Tage im Jahr (auch steuerrechtlich bedeutsam)
  • Sperrfrist: die Zeit, in der auf gerichtliche Anordnung kein neuer Führerschein ausgestellt werden darf (sechs Monate bis fünf Jahre, in Ausnahmefällen auf Lebenszeit)
  • Übersetzung für ausländischen Führerschein: nimmt unter anderem eine ADAC-Niederlassung vor

Generelles zum ausländischen Führerschein

Speziell in den 2000er Jahren haben sich die Rechtsgrundlagen zum EU-Führerschein mehrmals verändert und wurden durch Gerichtsurteile auf eine bestimmte Basis gestellt. Einige dieser Urteile führten zum Führerscheintourismus, weil die Materie schwer zu überblicken ist.

Innerhalb des internationalen Fahrerlaubnisrechts lohnt es sich, einmal über den EU-Tellerrand hinauszublicken, um anschließend den EU-Führerschein sinnvoll zu würdigen. Grundsätzlich kann jeder ausländische Führerscheininhaber, der sich in einem anderen Staat niederlässt, seinen Führerschein behalten, muss ihn aber innerhalb einer angemessenen Frist umschreiben lassen.

In Deutschland beträgt diese Frist längstens sechs Monate. Schon während dieser sechs Monate müssen ausländische Führerscheininhaber (oder Deutsche mit einem rechtmäßig im Ausland erworbenen Führerschein) eine Übersetzung des Führerscheins mitführen, die unter anderem der ADAC anbietet (siehe oben).

Die endgültige Umschreibung nimmt die Fahrerlaubnisbehörde vor. Es gibt einige Staaten, deren Führerscheine zwar nach sechs Monaten umzuschreiben sind, die aber in den sechs Monaten zuvor ohne Übersetzung in Deutschland gültig sind:

  • Schweiz
  • Andorra
  • Senegal
  • Hongkong
  • Monaco
  • San Marino
  • Neuseeland

Das Fazit dieser Regelung bedeutet indes für MPU-Kandidaten, dass ein ausländischer Führerschein keinen längerfristigen Sinn macht – er muss umgeschrieben werden, und schon während der sechsmonatigen Phase mit Übersetzungspflicht kann die Polizei per Datenabgleich evaluieren, dass es sich eigentlich um einen Kraftfahrer handelt, der in Deutschland auf der schwarzen Liste steht.

Deshalb könnte der ausländische Führerschein trotzdem rein theoretisch gültig sein, doch das darf nach jüngster Rechtsprechung bezweifelt werden.

Zwar wurden nach der EU-Richtlinie 91/439/EWG aus dem Jahr 1991 die Führerscheine zwischen den EU-Staaten vorbehaltlos anerkannt, doch es gab hierzu einige bemerkenswerte juristische Entwicklungen seit den 2000er Jahren.

Rechtliche Entwicklungen beim EU-Führerschein

In jedem Land der EU kann ein Führerschein erworben werden, den die anderen EU-Staaten anerkennen. Das nutzten seit der genannten Richtlinie der frühen 1990er Jahre viele MPU-Kandidaten, Anbieter warben mit dem “Führerscheintourismus”. Bestärkt wurden sie durch ein EuGH-Urteil des Jahres 2004, welches diese Praxis prinzipiell zu bestätigen schien.

Einem deutschen Inhaber eines ausländischen Führerscheins wurde dieser wegen einer vorherigen Verfehlung im deutschen Straßenverkehr, nachfolgendem Führerscheinentzug und MPU-Anordnung entzogen, wogegen der Mann sich bis zum EuGH hoch geklagt hatte. Der EuGH gab ihm grundsätzlich, aber eigentlich wegen Verfahrensmängeln beim Entzug, recht.

In der Urteilsbegründung hieß es jedoch sinngemäß, dass die Rechtsgrundlagen eines im Ausland (rechtmäßig) erworbenen Führerscheins auf einen anderen EU-Staat übertragen werden müssen und der Führerschein daher umzutauschen sei.

Das bedeutet, wer nach dem Entzug des deutschen Führerscheins im EU-Ausland als unbescholtener Bürger einen neuen Führerschein erwirbt, hat das Recht, diesen anschließend in einen deutschen Führerschein umzutauschen. Das war scheinbar ein Freifahrtschein für EU-Führerscheine, die nämlich nach Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist auch in Deutschland gelten mussten – ein Schlupfloch par excellence, wie es schien.

Der EuGH bemerkte diesen Fauxpas offensichtlich und revidierte sich in einem Urteil des Jahres 2008. Darin wurde festgestellt, dass EU-Führerscheine abzuerkennen sind, wenn das Ausstellerland ein Prüfverfahren wegen womöglich rechtswidriger Ausstellung einleitet (was durch einen Hinweis der deutschen Behörden auf die Sperrfrist wegen des vorherigen inländischen Entzuges möglich wäre).

Eine neue EU-Richtlinie (2006/126/EG, Umsetzung ab 19.01.2009) verpflichtet zudem EU-Mitgliedstaaten, die Ausstellung eines Führerscheins für EU-Bürger abzulehnen, wenn gegen diese in einem anderen EU-Staat ein Verfahren wegen eines Verkehrsdeliktes anhängig ist.

Die neuen Möglichkeiten des Datenabgleichs erlauben die sekundenschnelle Umsetzung dieser Richtlinie, die praktisch besagt, dass EU-Führerscheine nach vorherigem Entzug durch die deutschen Behörden nicht mehr gültig sein können.

Keine MPU in EU-Nachbarstaaten

In einigen EU-Ländern gibt es die Vorschriften zur MPU nicht, wie beispielsweise in Tschechien oder Polen. Dennoch ist es nicht ganz so einfach, den Führerschein in Polen zu erwerben und ihn dann in Deutschland zu benutzen. Es gibt ein paar rechtliche Besonderheiten dabei zu beachten:

  • Während die Sperrfrist noch andauert, ist das Führen eines Kraftfahrzeugs verboten. Das gilt für alle Klassen, für die der Führerschein eingezogen wurde. Wer dann mit seinem im Ausland erworbenen Führerschein auf deutschen Straßen fährt, macht sich strafbar.
  • Auch nach Ablauf der Sperrfrist ist der im EU-Ausland erworbene Führerschein nicht unter allen Umständen gültig. Wer sich dazu entschließt, statt eine MPU zu absolvieren lieber den EU-Führerschein in Polen oder einem anderen EU-Land der Wahl zu machen, muss dort für mindestens sechs Monate seinen ersten Wohnsitz anmelden. Kommt bei den Straßenverkehrsbehörden der Verdacht auf, dass der Betreffende nur kurz im Ausland war und dort keinen Wohnsitz angemeldet hatte, während er den Führerschein dort gemacht hat, kann sie die Anerkennung des Führerscheins verweigern.

Es gibt auch Anbieter, die den Führerschein zum Kauf anbieten. Dabei ist weder ein theoretische noch eine praktische Fahrprüfung erforderlich. Diese Angebote sind in der Regel als unseriös einzustufen. Es ist dringend davon abzuraten einen Führerschein zu kaufen.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es sich hier um eine Fälschung handelt oder mit anderen illegalen Methoden gearbeitet wird.

Tschechische Führerscheine

Seit dem Jahr 2015 weisen in Tschechien ausgestellte EU Führerscheine eine größere Rechtssicherheit auf als bisher. Dies ist den strengen Anforderungen und einer vorgelegten Prüfungspraxis (bspw. Wohnsitzprinzip) der tschechischen Behörden zu verdanken.

Deutsche Behörden müssen einen in Tschechien erworbenen EU Führerschein uneingeschränkt anerkennen, sofern dieser unter strikter Einhaltung des Wohnsitzprinzips in Tschechien erworben wurde und ein Wohnsitzverstoß durch die ausstellende Behörde nicht nachgewiesen werden konnte, wie beispielsweise beim Verwaltungsgericht Gera /Oberverwaltungsgericht Weimar mit AZ.: 2 ZKO 596/13 oder dem Verwaltungsgericht Leipzig AZ.: 1 K 288/15.

Auch Führerscheine aus anderen EU Mitgliedsländern müssen in Deutschland ausnahmslos anerkannt werden, wenn diese unter Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen und der deutschen Rechtsprechung ausgestellt wurden und dies ungeachtet der Vorgeschichte des Inhabers. Dies gilt auch, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz ausschließlich zum Erwerb der Fahrerlaubnis ins Ausland verlegt hat.

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